Zeitungsartikel über die Klinikclowns

21. Januar 2024

Mit kranken Kindern lachen –
und auch mal weinen

 

Isabell Erb

 

Lachen ist gesund, heißt es. Lisa Schnee und Ines Rosner sind als Clowns im Olgahospital in Stuttgart unterwegs. Sie bringen etwas Leichtigkeit in den Klinikalltag.

 

Im Warteraum des Olgahospitals in Stuttgart sitzen zwei Familien mit ihren Kindern und warten auf die Behandlung. Die Wände sind weiß, teilweise verglast, an der Decke hängt eine Uhr. Es ist still im Raum. Plötzlich geht die Tür auf: „Dr. Lametta Zamperoni“ und „Dr. Bubu Baum“ poltern herein – im Clownskostüm und mit roten Nasen. „Lametta“ spielt ein Kinderlied auf ihrer Konzertina. „Bubu“ holt derweil drei bunte Tücher aus ihrer Hosentasche und jongliert, musikalisch begleitet von Lametta. Die Kinder gucken fasziniert. „Lametta“ spielt immer schneller. „Bubu“ versucht, im Takt zu bleiben. Nicht einfach – die Tücher fallen zu Boden. „Hups“, sagt sie. Die Kinder lachen.

 

„Spiel mal langsamer“, fährt „Bubu“ ihre Clownskollegin an. Gesagt, getan. „Lametta“ spielt langsamer. Und langsamer. Und noch langsamer. Dann fängt sie an zu schnarchen. Klatsch! „Bubus“ Hand klebt in ihrem Gesicht. Die Schleife, die auf „Lamettas“ Kopf steckt, rutscht in ihr Gesicht. „Auaaaaaa!“, ruft sie dramatisch. Die Kinder quietschen vor  Vergnügen. Schon fühlt es sich hier ein bisschen weniger nach einem Krankenhaus an.

 

„Dr. Lametta Zamperoni“ und „Dr. Bubu Baum“ sind zwei von sechs Klinikclowns, die im Olgäle, das zum Klinikum Stuttgart gehört, zum Einsatz kommen – um kranken Kindern und
ihren Eltern den Klinikalltag zu erleichtern. Finanziert werden die Clowns seit mehr als 20 Jahren von der Olgäle-Stiftung, einem gemeinnützigen Verein, der Deutschlands größtes Kinderkrankenhaus mit vielen Projekten unterstützt. Projekte, die sonst nicht gestemmt werden könnten.

 

Die Idee des Klinikclowns ist Mitte der 80er Jahre entstanden. Michael Christensen, ein Mitbegründer des New Yorker Big-Apple-Circus, war zu einer Veranstaltung in einem Kinderkrankenhaus eingeladen. Er hatte mit seiner roten Clownsnase so großen Erfolg, dass er regelmäßig in Kliniken auftrat. Vor ziemlich genau 30 Jahren brachte dann die Künstlerin und Clownin Laura Fernandez die Idee nach Deutschland.

 

„Lametta“ und „Bubu“ sind inzwischen weitergezogen. Sie latschen in ihren viel zu großen Schuhen durch die Korridore der Ambulanz und schaukeln unkoordiniert hin und her. „Bubu“ trägt eine grüne Bommelmütze, farblich passend zu ihrer Schlabberhose mit den Hosenträgern. Ein Anhänger ziert ihr rechtes Ohr. Er sieht aus wie ein gerupftes Huhn.
„Lametta“ trägt rot-weiße Ringelsocken und eine Glaskugel am Ohr, ihr Halstuch ist mit Sternen bedruckt.

 

„Dr. Lametta Zamperoni“ heißt mit bürgerlichem Namen Lisa Schnee, „Dr. Bubu Baum“ eigentlich Ines Rosner. Schnee, 39 Jahre alt, ist seit 2017 als Clown im Olgahospital tätig. Die studierte Figurenspielerin gründete 2009 ihr eigenes Figurentheater, ließ sie sich später aber zum Clown ausbilden, weil sie sich mehr zwischenmenschliche Begegnungen mit dem Publikum wünschte. Rosner, die als „Bubu Baum“ seit 2018 im Olgäle unterwegs ist, hat viele Jahre als Sozialarbeiterin in der Jugendhilfe gearbeitet. Außerdem ist sie Theaterpädagogin. Zum Clownsein kam die 44-Jährige eher zufällig, stellte dann aber fest: „Das ist genau das, was ich suche.“

 

Am Ende eines Korridors machen die Clowns halt und lugen um die Ecke. Dort wartet Bella auf ihre Untersuchung. Die Achtjährige sitzt im Rollstuhl. Als sich die Clowns ihr nähern, wirkt sie zurückhaltend, fast ein bisschen ängstlich. „Lametta“ hört auf zu spielen und holt ihr Seifenblasendöschen aus der Tasche. Sie schaut Bella kurz an, dann pustet sie ein paar Blasen. Bubu fängt eine davon auf. „Oh“, sagt das Mädchen leise. „Bubu“ bückt sich zu ihr und streckt ihr die Hand entgegen, mit der sie die Seifenblase gefangen hat. „Danke“, sagt Bella und lächelt. Die Scheu ist verflogen.

 

Sich an die Kinder heranzutasten, die Situation zu erspüren und angemessen darauf zu reagieren ist eine der Aufgaben der Klinikclowns. Dabei schauen sie ganz genau, ob das Kind gerade Lust auf Späßchen hat, oder ob es nach den anstrengenden Untersuchungen lieber in Ruhe gelassen werden will. „Wir sind die Einzigen im Krankenhaus, zu denen das Kind Nein sagen darf“, sagt Lisa Schnee. Ines Rosner fügt dazu: „So geben wir den Kindern ihre Selbstbestimmung zurück.“

 

Für Andreas Oberle, Kinderneurologe und Ärztlicher Direktor am Sozialpädiatrischen Zentrum des Olgahospitals, sind die Klinikclowns eine wichtige Ergänzung zur medizinischen Therapie. Beispielsweise sorgen sie dafür, dass die Kinder das Lachen nicht verlernen. „Wenn ich dauerhaft niedergeschlagen bin, stellt sich das Gehirn darauf ein“, sagt der Arzt. „Lachen ist zwar in uns drin, aber wenn ich über Wochen, Monate immer traurig und belastet bin, dann fällt es mir irgendwann schwer“. Wie so vieles müsse auch Fröhlichkeit trainiert werden. „Ich kann noch so ein toller Arzt sein und mich der besten Therapiemethoden bedienen. Aber was bringt das, wenn das Kind nicht mehr lacht?“, so Oberle.

 

Trotzdem wollen die beiden Clowns die Schmerzen der Kinder nicht weglächeln. Sie nehmen sie ernst: „Wir wollen sie stark machen, indem wir mit ihrem gesunden Ich spielen“, sagt Rosner. Manchmal bedeutet das aber auch, Ängste und Trauer zuzulassen. Etwa, wenn sie mit einem Kind, das wegen einer OP seine Haare verloren hat, in den Spiegel schauen und gemeinsam um die schönen, langen Locken weinen. Oder wenn sie einem schwer kranken Neugeborenen einen Glitzerstern auf die Socke kleben.

 

Was bleibt von der Arbeit der Clowns hängen? Welche Gefühle der Kinder, deren Eltern und des Klinikpersonals? „Man muss darauf vertrauen, dass man die Magie so freisetzt, wie  man es sich wünscht“, sagt Schnee. „Wenn das gelingt, ist man selbst ganz erleichtert.“ Die Mutter des kranken Neugeborenen hat die Socke mit dem Stern nie gewaschen. Ihr Kind wird jetzt drei.